Frage: Herr Witt, immer mehr Menschen berichten von Betrug über das Verkaufsportal Vinted. Die Täter greifen offenbar gezielt über externe Kommunikationswege an. Wie schätzen Sie diesen Fall ein?
Hans Witt: Was wir hier sehen, ist ein typischer Fall von sogenanntem Phishing mit Plattformbezug. Die Täter nutzen die Vertrauenswürdigkeit von bekannten Marktplätzen wie Vinted aus, um Nutzer aus dem gesicherten System herauszulocken. Das ist eine hochprofessionelle Masche – technisch simpel, aber extrem effektiv. Und das Ausmaß, wie wir es jetzt sehen, ist alarmierend.
Frage: Vinted weist die Verantwortung zurück, da die Transaktionen außerhalb der Plattform stattgefunden haben. Reicht das aus rechtlicher Sicht?
Hans Witt: Aus rein juristischer Sicht mag das im ersten Moment formal korrekt sein – aber es ist nicht das ganze Bild. Plattformbetreiber wie Vinted haben eine sekundäre Verkehrssicherungspflicht: Sie müssen nicht nur ihre Plattform technisch schützen, sondern auch ihre Nutzer aktiv und deutlich vor typischen Betrugsrisiken warnen, wenn diese bekannt und vorhersehbar sind. Und das ist hier der Fall.
Frage: Bedeutet das, dass Vinted im Ernstfall mithaften könnte?
Hans Witt: Das ist denkbar – insbesondere, wenn sich nachweisen lässt, dass nicht ausreichend und sichtbar gewarnt wurde, obwohl das Unternehmen über die Betrugsmasche informiert war. Die Hinweise im Hilfe-Bereich sind gut gemeint, aber versteckt, unauffällig und schwer zu finden. Eine deutliche Warnmeldung beim Einloggen oder bei jeder externen Kontaktaufnahme wäre angebracht – so, wie es Banken längst tun.
Frage: Was können Betroffene tun, die Geld verloren haben? Gibt es überhaupt noch Hoffnung?
Hans Witt: Es kommt auf den Einzelfall an. Wenn beispielsweise das Geld über PayPal-Freunde-Zahlungen abgezogen wurde, ist eine Rückerstattung zwar schwierig, aber nicht ausgeschlossen. Gerade wenn die Täuschung sehr offensichtlich war, lohnt es sich, nochmals hartnäckig Widerspruch bei PayPal einzulegen oder anwaltlich Druck zu machen. In einigen Fällen konnten wir bereits Rückbuchungen erreichen.
Frage: Ist auch eine Anzeige bei der Polizei sinnvoll?
Hans Witt: Unbedingt. Auch wenn es oft heißt „da passiert eh nichts“ – jede Anzeige zählt. Denn: Je mehr Betroffene sich melden, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass internationale Ermittlungen eingeleitet werden. Auch für zivilrechtliche Schritte kann eine Anzeige hilfreich sein, zum Beispiel bei späteren Klagen gegen Plattformen oder Zahlungsdienstleister.
Frage: Was raten Sie betroffenen Vinted-Kunden konkret?
Hans Witt:
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Alle Beweise sichern: Screenshots, Mails, Chatverläufe, PayPal-Buchungen.
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Anzeige erstatten – online oder bei der örtlichen Polizei.
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Kontaktieren Sie einen spezialisierten Anwalt, wenn Sie nicht weiterkommen oder PayPal ablehnt. Es gibt durchaus juristische Ansatzpunkte, besonders bei systematisch bekannten Betrugsmaschen.
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Öffentlich machen – wie es Lisa Morgenstern getan hat. Druck durch Medien und Öffentlichkeit kann Plattformen zum Handeln zwingen.
Frage: Wären Sie als Fachanwalt für solche Fälle ansprechbar?
Hans Witt: Selbstverständlich. Ich berate regelmäßig Mandantinnen und Mandanten, die Opfer von Plattform- oder Zahlungsbetrug geworden sind – auch in Fällen wie diesem mit Vinted, Kleinanzeigen oder ähnlichen Portalen. Die Maschen sind bekannt, aber die rechtlichen Möglichkeiten sind oft besser als gedacht.
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