Von Rechtsanwalt Hans Witt, Heidelberg
Einleitung
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist eines der wirkungsvollsten Mittel des Käufers im Immobilienrecht – doch sie ist an hohe rechtliche Hürden geknüpft. In der Praxis stellen sich dabei immer wieder Fragen zu Aufklärungspflichten des Verkäufers, zur Beweisbarkeit von Täuschungshandlungen sowie zur Rolle moderner Transaktionsmethoden wie etwa der Nutzung digitaler Datenräume. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), insbesondere das Urteil vom 15. September 2023 (Az. V ZR 77/22), bringt hier wichtige Klarstellungen.
- Arglistige Täuschung – rechtlicher Rahmen
Nach § 123 Abs. 1 BGB kann ein Vertrag angefochten werden, wenn eine Partei durch arglistige Täuschung zum Vertragsabschluss bestimmt wurde. Die Rechtsprechung definiert „Arglist“ als zumindest bedingten Vorsatz: Der Verkäufer muss wissen oder billigend in Kauf nehmen, dass seine Angaben unzutreffend oder unvollständig sind – oder dass er wichtige Informationen verschweigt, die für die Kaufentscheidung wesentlich sind.
Im Immobilienbereich betrifft dies häufig verschwiegene Baumängel, fehlerhafte Flächenangaben, Altlasten, nicht genehmigte bauliche Veränderungen oder laufende Rechtsstreitigkeiten, etwa mit Mietern oder Behörden.
- Anfechtung versus Gewährleistungsrechte
Während Gewährleistungsrechte regelmäßig durch vertragliche Vereinbarungen (z. B. Gewährleistungsausschlüsse) begrenzt werden können, gilt dies für Ansprüche aus § 123 BGB nicht. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann auch bei einem vollständigen Gewährleistungsausschluss geltend gemacht werden. Zudem führt eine erfolgreiche Anfechtung zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags – rückwirkend ab Vertragsschluss.
- Informationsbereitstellung im Datenraum – reicht das aus?
Gerade bei größeren Immobilientransaktionen werden Unterlagen nicht mehr physisch übergeben, sondern über digitale Datenräume bereitgestellt. Die Frage, ob die bloße Einstellung einer Information in einen solchen Datenraum als ordnungsgemäße Offenlegung gilt, wurde zuletzt mehrfach vom BGH behandelt – mit zunehmender Differenzierung.
In der Entscheidung V ZR 77/22 hat der BGH ausdrücklich klargestellt: Das Einstellen von Dokumenten in einen Datenraum entbindet den Verkäufer nicht automatisch von seiner Aufklärungspflicht. Entscheidend ist, ob der Käufer unter den konkreten Umständen die Information auch zumutbar zur Kenntnis nehmen konnte. Es kommt also auf Zugänglichkeit, Auffindbarkeit und die inhaltliche Verständlichkeit der Information an.
Wird eine wesentliche Information an versteckter Stelle oder in einem wenig transparent benannten Dokument hinterlegt, kann dies nicht als wirksame Offenlegung gewertet werden. Das Risiko, dass der Käufer die Information überliest oder fehlinterpretiert, bleibt beim Verkäufer – insbesondere dann, wenn keine konkrete Bezugnahme oder Hervorhebung erfolgt.
- Rechtliche und praktische Implikationen
Für Verkäufer bedeutet dies: Wer sich auf die Bereitstellung im Datenraum beruft, muss diese strukturiert, nachvollziehbar und verständlich gestalten. Wichtige Dokumente oder Risiken sollten ausdrücklich hervorgehoben und gegebenenfalls durch erläuternde Hinweise begleitet werden – etwa in einem Begleitschreiben oder einer Checkliste.
Für Käufer gilt: Die gründliche und dokumentierte Durchsicht des Datenraums ist unerlässlich. Wer sich im Nachhinein auf arglistige Täuschung berufen will, muss nachweisen können, dass die relevante Information ihm tatsächlich unzugänglich war oder gezielt verschleiert wurde. Hier empfiehlt sich eine rechtliche Begleitung bereits während der Due-Diligence-Prüfung.
- Fazit
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bleibt ein scharfes Schwert im Immobilienrecht, setzt jedoch nach wie vor einen hohen Maßstab an Beweisbarkeit und Vorsatz. Die aktuelle BGH-Rechtsprechung stärkt die Rechte von Käufern und betont die Transparenzpflichten von Verkäufern – besonders im Zeitalter digitaler Transaktionen. Wer Immobilien verkauft oder erwirbt, sollte daher größten Wert auf eine saubere, transparente Kommunikation und professionelle Dokumentation legen.
Autor:
Hans Witt, Rechtsanwalt in Heidelberg, spezialisiert auf Immobilienrecht und Vertragsrecht. Er berät Käufer, Verkäufer und Investoren in komplexen Immobilientransaktionen.
Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.
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