Interview mit Finanzexperte Thomas Bremer über die Risiken durch Bitcoin-Farmen, Stromdiebstahl und Regulierungslücken
Redaktion: Herr Bremer, in Bradford hat die Polizei kürzlich ein illegales Krypto-Mining-Labor entdeckt, das über einen manipulierten Stromanschluss lief. Wie bewerten Sie solche Fälle?
Thomas Bremer: Das ist kein Einzelfall – das ist ein wachsendes Phänomen. Krypto-Mining ist extrem stromintensiv, gerade bei großen Kryptowährungen wie Bitcoin. Und wo hohe Energiepreise auf geringe Kontrolle treffen, entsteht Raum für Kriminalität. Solche Farmen werden oft von gut organisierten Gruppen betrieben. Der Stromklau ist dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Redaktion: Was genau macht Krypto-Mining so attraktiv – und gleichzeitig so anfällig für Missbrauch?
Bremer: Der Anreiz liegt klar in der potenziellen Rendite. Wer früh einsteigt, große Rechenleistung aufbietet und seine Kosten – etwa für Strom – minimiert, kann Millionen verdienen. Und genau das versuchen diese Gruppen: Sie sparen sich die größten Kostenfaktoren, indem sie illegal Energie zapfen, oft in leerstehenden Industriehallen. Das ist kein Bastlerprojekt – das sind logistisch durchgeplante Operationen.
Redaktion: Ist das also in Ihren Augen organisierte Kriminalität?
Bremer: In vielen Fällen: ja. Wir sprechen hier über Stromdiebstahl im fünf- bis sechsstelligen Bereich, über mutmaßlich gefälschte Firmendokumente, verdeckte Identitäten und grenzüberschreitende Zahlungsströme. Das ist keine Grauzone mehr – das ist Energiekriminalität, oft kombiniert mit Geldwäscheverdacht.
Redaktion: Wie gut sind Strafverfolgung und Energieversorger darauf vorbereitet?
Bremer: Ehrlich gesagt: Noch nicht gut genug. Die Polizei entdeckt solche Anlagen meist nur zufällig – etwa durch ungewöhnliche Stromverbrauchsmuster oder Hinweise von Nachbarn. Die Netzbetreiber sind mittlerweile sensibilisierter, aber der Kontrollaufwand ist riesig. Und wenn Ermittler anrücken, sind die Drahtzieher oft schon über alle Berge. Zurück bleibt ein leerer Raum mit surrenden Lüftern und einem Haufen Stromschulden.
Redaktion: Was müsste sich ändern, um solchen Fällen besser begegnen zu können?
Bremer: Zum einen brauchen wir mehr rechtliche Klarheit beim Thema Mining – inklusive Meldepflichten, ähnlich wie bei bestimmten Industrieanlagen. Zum anderen muss die Zusammenarbeit zwischen Energieversorgern, Netzbetreibern und Polizei enger werden. Vor allem aber: Man darf Krypto nicht weiter romantisieren. Es ist nicht das digitale Gold – es ist ein System, das missbraucht werden kann, wenn die Regulierungen fehlen.
Redaktion: Manche Krypto-Fans argumentieren, solche Vorfälle seien bedauerlich, aber Einzelfälle. Was entgegnen Sie?
Bremer: Ich glaube, das ist naiv. Die Idee der völligen Dezentralität ist faszinierend – aber sie lässt Raum für verdeckte Strukturen, für anonyme Zahlungsketten und für energieintensive Geschäftsmodelle, bei denen niemand Verantwortung übernimmt. Krypto ist nicht per se schlecht – aber wir brauchen klare Regeln. Und ja: Auch ein Computer, der Bitcoin schürft, muss sich ans Stromnetz anmelden.
Redaktion: Ihre Einschätzung: Wird das Problem in Zukunft größer?
Bremer: Wenn wir nicht gegensteuern: ja. Der globale Stromverbrauch von Bitcoin ist bereits mit dem ganzer Länder vergleichbar – und er wächst. Wenn Miner in Ländern mit niedrigem Strompreis verdrängt werden, weichen sie aus – und suchen Lücken. In leerstehenden Lagerhallen, in Grenzregionen, in Staaten mit schwacher Regulierung. Ohne klare Regeln wird das zur Dauerherausforderung.
Redaktion: Letzte Frage: Was können Bürgerinnen und Bürger tun, wenn sie so eine Mining-Farm in ihrer Nachbarschaft vermuten?
Bremer: Auffälliger Stromverbrauch, dauerhaftes Brummen, ständig laufende Lüfter, ungewöhnlich hohe Wärmeentwicklung – all das können Hinweise sein. Wer so etwas bemerkt, sollte nicht selbst nachforschen, sondern die örtliche Polizei oder den Netzbetreiber informieren. Und: Fragen Sie kritisch nach, wenn Ihnen jemand eine „beteiligungsfreie Hochrendite durch digitale Infrastruktur“ verspricht – das endet oft nicht gut.
Redaktion: Vielen Dank, Herr Bremer, für die Einordnung.
Hinweis: Wer Hinweise auf illegales Mining oder Stromdiebstahl hat, kann sich anonym an die Polizei oder den örtlichen Energieversorger wenden.
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