Hohe Renditen klingen für Anleger oft verführerisch – doch sie bergen erhebliche Risiken. Besonders Kapitalanlagen wie Genussrechte, stille Beteiligungen oder Nachrangdarlehen sind nicht mit klassischen Festgeldanlagen oder Unternehmensanleihen vergleichbar. Wer investiert, trägt unternehmerisches Risiko und kann im schlimmsten Fall sein gesamtes Kapital verlieren.
Ein aktuelles Beispiel ist das Angebot der Atlantis Energy Storage Petrol A.Ş. in der Türkei. Die Firma wirbt mit Renditen ab 4,5 % bis 6,5 % p.a. und verschiedenen Beteiligungsmodellen. Doch ein genauer Blick auf die Vertragsbedingungen zeigt: Anleger sollten genau prüfen, worauf sie sich einlassen.
Wir haben dazu mit der Dresdner Rechtsanwältin Kerstin Bontschev gesprochen, die auf Kapitalanlagerecht spezialisiert ist.
„Hohe Renditen gehen mit hohen Risiken einher“
Ein Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev
Frage: Frau Bontschev, was macht Beteiligungsmodelle wie Genussrechte oder Nachrangdarlehen so riskant?
Kerstin Bontschev: Viele Anleger lassen sich von hohen Renditeversprechen blenden und übersehen die tatsächlichen Risiken. Genussrechte, stille Beteiligungen und Nachrangdarlehen sind keine klassischen Kreditverträge – sie sind vielmehr unternehmerische Beteiligungen mit hohem Verlustrisiko.
Das bedeutet: Wenn das Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich ist, profitieren die Anleger durch Dividenden oder Bonuszahlungen. Gerät das Unternehmen jedoch in Schwierigkeiten oder wird insolvent, können Anleger ihr gesamtes Geld verlieren.
Frage: Atlantis Energy Storage bietet Genussrechte mit 5,5 % Grunddividende. Ist das eine sichere Geldanlage?
Bontschev: Nein, keineswegs. Genussrechte sind Eigenkapitalähnliche Beteiligungen, die nur dann Rendite abwerfen, wenn das Unternehmen Gewinn macht. Zudem gibt es eine Mindestlaufzeit von sieben Jahren, was bedeutet, dass Anleger über einen langen Zeitraum an die Beteiligung gebunden sind – ohne die Garantie einer Rückzahlung.
Problematisch ist auch, dass in den Vertragsbedingungen steht, dass alle Dividenden- und Bonuszahlungen unter dem Vorbehalt ausreichender Jahresüberschüsse stehen. Das heißt: Wenn das Unternehmen Verluste macht, gibt es keine Rendite.
Frage: Wie sieht es mit stillen Beteiligungen und Nachrangdarlehen aus?
Bontschev: Stille Beteiligungen sind besonders problematisch, weil Anleger nicht nur am Gewinn, sondern auch am Verlust beteiligt sind. Das heißt, ihr Kapital kann schrumpfen oder vollständig verloren gehen.
Nachrangdarlehen sind ebenfalls sehr riskant. Sollte Atlantis Energy Storage Insolvenz anmelden, würden erst alle anderen Gläubiger – Banken, Lieferanten etc. – bedient. Die Anleger mit Nachrangdarlehen stehen ganz am Ende der Kette und gehen im schlimmsten Fall leer aus.
Frage: Atlantis Energy Storage bietet auch grundbuchbesicherte Darlehen und Anleihen mit fester Verzinsung. Sind diese sicherer?
Bontschev: Grundbuchbesicherte Darlehen können unter bestimmten Bedingungen sicherer sein – aber nur, wenn tatsächlich werthaltige Sicherheiten hinterlegt sind. Hier sollten Anleger genau prüfen, welche Immobilien als Sicherheit dienen und welchen Wert sie tatsächlich haben.
Anleihen mit fester Verzinsung von 5 % klingen verlockend, aber auch hier gilt: Wenn das Unternehmen nicht zahlungsfähig ist, kann die Rückzahlung ausfallen.
Frage: Atlantis Energy Storage weist darauf hin, dass keine Prospektpflicht gemäß § 2 Vermögensanlagengesetz besteht. Was bedeutet das für Anleger?
Bontschev: Das bedeutet, dass das Unternehmen keinen vollständigen Verkaufsprospekt erstellen musste, wie es bei anderen Kapitalanlagen vorgeschrieben ist. Anleger erhalten also weniger Informationen über Risiken, Geschäftsmodelle und Sicherheiten.
Das ist ein großes Problem, weil weniger Transparenz oft auch weniger Anlegerschutz bedeutet. Wer investiert, sollte sich bewusst sein, dass es hier weniger regulatorische Kontrolle gibt.
„Nicht ohne Prüfung investieren!“
Frage: Ihr Fazit – was sollten Anleger tun, bevor sie investieren?
Bontschev: Anleger sollten sich bewusst sein, dass sie kein sicheres Investment tätigen, sondern unternehmerisches Risiko eingehen. Hohe Renditen bedeuten immer auch hohe Verlustrisiken.
Meine Empfehlungen:
✔ Vertragsbedingungen genau prüfen – was passiert im Fall einer Insolvenz?
✔ Sich rechtlich beraten lassen, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
✔ Nicht das gesamte Vermögen in eine einzelne Beteiligung stecken – Diversifikation ist entscheidend.
✔ Überlegen, ob man es sich leisten kann, dieses Geld im schlimmsten Fall zu verlieren.
Gerade bei Kapitalanlagen ohne Prospektpflicht und mit langen Laufzeiten ist besondere Vorsicht geboten.
Frage: Vielen Dank für das Gespräch!
Bontschev: Sehr gern!
Leave a comment