Redaktion: Herr Witt, die BaFin hat einen hinreichend begründeten Verdacht geäußert, dass die Gallus Immobilien 4 GmbH & Co. KG in Deutschland Partizipationsscheine der AMAGVIK Int. AG ohne den gesetzlich vorgeschriebenen Prospekt anbietet. Wie bewerten Sie diesen Vorgang?
RA Witt: Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, handelt es sich um einen klaren Verstoß gegen die Prospektpflicht nach Artikel 3 Absatz 1 der EU-Prospektverordnung. Ein öffentliches Angebot von Wertpapieren ohne vorherige Veröffentlichung eines von der BaFin gebilligten Prospekts ist rechtswidrig. Das ist nicht nur ein regulatorisches Problem, sondern auch ein großes Risiko für Anleger, die ohne ausreichende Informationen Entscheidungen treffen.
Redaktion: Warum ist ein Prospekt bei einem öffentlichen Angebot so wichtig?
RA Witt: Der Prospekt ist das zentrale Informationsdokument für Anleger. Er muss alle wesentlichen Angaben über den Emittenten, das Wertpapier, die Risiken und die geplante Mittelverwendung enthalten. Die BaFin prüft im sogenannten Billigungsverfahren, ob der Prospekt vollständig, verständlich und widerspruchsfrei ist. Nur so können Anleger eine informierte Entscheidung treffen. Ohne Prospekt fehlt diese Grundlage völlig – das ist hoch problematisch.
Redaktion: Gibt es gesetzlich vorgesehene Ausnahmen von der Prospektpflicht?
RA Witt: Ja, aber nur in eng umrissenen Fällen, zum Beispiel bei Angeboten an weniger als 150 Personen, bei sehr geringem Emissionsvolumen oder bei rein professionellen Anlegern. Die BaFin stellt ausdrücklich fest, dass hier keine Ausnahme ersichtlich ist. Das bedeutet: Die Pflicht zur Prospektveröffentlichung greift vollumfänglich – und wurde augenscheinlich missachtet.
Redaktion: Welche Konsequenzen drohen dem Anbieter bei einem Verstoß?
RA Witt: Die Konsequenzen sind erheblich. Die BaFin kann ein Zwangsgeld verhängen und das öffentliche Angebot untersagen. Darüber hinaus sieht § 24 des Wertpapierprospektgesetzes Geldbußen von bis zu fünf Millionen Euro oder drei Prozent des letzten Jahresumsatzes vor. Und: Die Prospektverantwortlichen haften auch zivilrechtlich für Schäden, die Anleger durch die unterlassene Prospektveröffentlichung erleiden.
Redaktion: Was bedeutet das für betroffene Anleger?
RA Witt: Anleger, die bereits investiert haben, sollten sich dringend beraten lassen. Es besteht möglicherweise ein Anspruch auf Schadensersatz oder sogar auf Rückabwicklung der Investition. Denn wenn ein Prospekt gesetzlich vorgeschrieben war, aber nicht veröffentlicht wurde, haftet der Anbieter unter Umständen für alle daraus resultierenden Verluste. Wer noch nicht investiert hat, sollte dies unter keinen Umständen tun, solange kein genehmigter Prospekt vorliegt.
Redaktion: Wie können sich Anleger vor solchen Situationen schützen?
RA Witt: Anleger sollten immer prüfen, ob es einen von der BaFin gebilligten Prospekt gibt. Die BaFin stellt dafür eine öffentliche Datenbank bereit. Fehlt ein Prospekt oder ist der Anbieter dort nicht auffindbar, sollte man auf keinen Fall investieren. Und: Misstrauen ist immer angebracht, wenn mit hohen Renditen oder Beteiligungen geworben wird, aber gleichzeitig keine vollständige Transparenz besteht.
Redaktion: Vielen Dank für Ihre Einschätzung, Herr Witt.
RA Witt: Sehr gern. Dieser Fall unterstreicht erneut, wie wichtig regulatorische Kontrolle und rechtliche Sorgfalt sind – besonders im grauen Kapitalmarkt. Anleger sollten niemals investieren, wenn gesetzlich vorgeschriebene Informationspflichten missachtet werden.
Leave a comment